FAKTEN ZUM NOTWENDIGEN KOHLEAUSSTIEG

25 Ländern – darunter Kanada, England, Italien und Frankreich – bilden bei der UN-Klimakonferenz in Bonn COP23 eine internationale Allianz für den Kohleausstieg (Stand 16.11.17)

Kohle gehört zusammen mit Erdöl und Erdgas zu den wichtigsten fossilen Brennstoffen – auch  Torf gehört dazu. Sie werden seit Beginn der Industrialisierung zur Energiegewinnung genutzt. Bei der Verbrennung von fossilen Stoffen wird Kohlendioxid (CO2) freigesetzt. Im Vergleich mit der Zeit vor der Industrialisierung ist die CO2-Konzentration in der Atmosphäre von 280 auf 403 ppm gestiegen. CO2 ist ein Treibhausgas und der wichtigste Verursacher der Erderwärmung.

Im Vergleich zum vorindustriellen Niveau ist die globale Mitteltemperatur  bereits um 1°C gestiegen und wird sich voraussichtlich bis Ende des 21. Jh. auf 4-5°C erhöhen, wenn der Anstieg der CO2-Konzentration in der Atmosphäre nicht gestoppt wird. Fossile Brennstoffe werden global vielfach genutzt – beispielsweise zur Erzeugung elektrischer Energie.

Abb.1 zeigt die dazu verwendeten Energieträger in Deutschland (Stand 2016). Davon machen fossile Brennstoffe und Kernspaltung 70,5% aus, wobei der größte Anteil (40,1%) Braun- und Steinkohle ist. 31,7% der gewonnenen Energie stammen aus erneuerbaren Energien.

Schematische Darstellung der Zeckenentfernung

Abb. 1: Anteil der Energieträger zur Stromerzeugung in Deutschland im Jahr 2016. Quelle: Strom-Report. Daten AGEB e.V. Als Strommix wird die anteilige Zusammensetzung des in Deutschland erzeugten Stroms nach Energiequellen bezeichnet. (Sonstige 5,2% = Erdöl, Raffineriegas und Abfall).

[648 Mrd kWh = 648.000 GigaWh = 648 TeraWh]

Man unterscheidet zwischen festen, gasförmigen und flüssigen fossilen Brennstoffen. Die CO2-Emission aus festen fossilen Brennstoffen – z.B. Kohle – ist mit Abstand am höchsten.  Durch die Verbrennung von Braunkohle werden rund 50 x mehr Treibhausgase freigesetzt als durch die Nutzung von Windkraft, um die gleiche Energiemenge zu erzeugen. Neben der Kohlendioxidemission werden sowohl bei der Extraktion als auch bei der Verbrennung von Kohle viele Schadstoffe freigesetzt. Dadurch wird v.a. die Luft kontaminiert und die Gesundheit gefährdet.

In Deutschland wird derzeit nur noch in zwei Bergwerken Steinkohle abgebaut. Seit den 1960er Jahren sind die Kosten des Steinkohleabbaus höher als der Weltmarktpreis. Um den Abbau der Steinkohle in Deutschland weiter zu ermöglichen, wurde eine Steinkohlesubvention eingeführt. Die Subvention läuft Ende 2018 aus, gleichzeitig werden beide Bergwerke stillgelegt.

Jährlich importiert Deutschland zur Deckung des hiesigen Bedarfs rund 50 Mio. t Steinkohle aus mehreren Ländern. Bei Braunkohle ist Deutschland dagegen das wichtigste Förderland. Braunkohle wird heute in Europa fast ausschließlich im Tagebau gefördert. In Deutschland gibt es drei große Braunkohle-Reviere: das Rheinische in der Niederrheinischen Bucht, das Mitteldeutsche und das Lausitzer Revier, mit etwas mehr als 20.000 Beschäftigte.

2016 emittierte Deutschland 906 Mio. t CO2. Äquivalente (vgl. Nahzeitprognose 2016 des Umweltbundesamtes). Weit über 40% stammen aus der Stromerzeugung, der größte Teil davon aus Kohlekraftwerken. Die Nutzung von Kohle ist die klimaschädlichste Form der Energiegewinnung. Es gibt in Deutschland mehr als 130 Kohlekraftwerke (über 50 sind Braunkohlekraftwerke); sie produzieren über 300 Mio. t CO2, d.h. ca. 30% der deutschen CO2-Emissionen. Das ist mindestens so viel, was alle afrikanischen Länder südlich der Sahelzone (ohne Südafrika) zusammen freisetzen.

Der vorliegende Artikel versucht die Fakten zusammenzufassen, die für einen Ausstieg aus der Kohlenutzung sprechen. Mehrere Länder wie die Niederlande und Neuseeland haben den Kohleausstieg bereits beschlossen. Neben der Luftkontamination und der Beeinträchtigung der Gesundheit gefährden die Kohlendioxidemissionen das Pariser Abkommen und die Klimaziele Deutschlands, die CO2-Emissionen zu reduzieren. Alle Länder blicken auf Deutschland. Es wäre eine Blamage, wenn Deutschland als reiches Land, mit so vielen technischen Möglichkeiten, seine Ziele zum Klimaschutz nicht erreicht.

Warum ist ein Ausstieg aus dem Kohlezeitalter möglich und notwendig?

1) Braun- und Steinkohle gelten aufgrund der sehr hohen CO2-Emissionen mit Abstand als die „Klimakiller“ Nr.1. Um 1 kWh Energie mit Braunkohle zu gewinnen, werden 1060-11901 g CO2 oder über 700 g CO2 bei vorhandener Kraft-Wärmekopplung emittiert (https://www.vdi.de/fileadmin/vdi_de/redakteur_dateien/geu_dateien/FB4-Internetseiten/CO2-Emissionen%20der%20Stromerzeugung_01.pdf). Verwendet man Windkraft, um ebenfalls 1 kWh zu erzeugen, werden nur 23-24 g CO2 freigesetzt, die meist bei der Herstellung und Installation der Anlage entstehen (siehe https://www.ise.fraunhofer.de).

Der Sachverständigenrat für Umweltfragen empfiehlt als 1.Schritt die vor 1990 gebauten Braunkohlekraftwerke möglichst kurzfristig zu schließen, damit Deutschland sein Klimaziel der Reduzierung der CO2-Emissionnen von 40% bis 2020 im Vergleich zu 1990 erreichen und das Pariser Abkommen einhalten kann. Im 2.Schritt sollen die restlichen Kohlenkraftwerke bis 2030 mit verminderter Auslastung betrieben werden. Sie sollen dann im 3.Schritt im Verlauf der 2030er-Jahre nach und nach geschlossen werden.

Bis Ende 2016 hat Deutschland seine CO2-Emissionen nur um 28,6% im Vergleich zu 1990 reduziert. Man schätzt, dass die Reduzierung bis 2020 nach dem heutigen Stand max. 32,5 % betragen kann.

Tab.1: Auswirkung des Feinstaubs und der Schadstoffe aus der Kohleförderung und ‑kraftwerke auf die Gesundheit in Europa. (Quelle: EU-Studie)

Schematische Darstellung der Zeckenentfernung

Beim Kohletagebau werden riesige Löffelbagger oder Schaufelradbagger eingesetzt, die Ausmaße von mehreren hundert Metern haben. Damit können bis über 200.000 t Kohle oder Abraum täglich bewegt werden. Diese Zahlen vermitteln eine Vorstellung davon, wie groß die zerstörten Landschafts- bzw. Waldflächen sind.

Eine weitere ökologische Auswirkung ist die künstliche Grundwasserabsenkung, die notwendig ist, um den Kohletagebau zu ermöglichen, andernfalls würden sich die Gruben mit Wasser füllen. Die Grundwasserabsenkung beträgt beispielsweise im Lausitzer Tagebau zwischen 50 und 100 m. Beim Kohletiefbau treten Bodensenkungen auf.

Diese führen zu Gebäudeschäden und beeinträchtigen das Fließverhalten von Gewässern. Man muss eine sog. Aufsattelung des Gewässers vornehmen, um das Fließen wieder gewährleisten zu können. Bei vielen Kohlekraftwerken wird eine direkte Abkühlung mit Flusswasser vorgenommen; die Erwärmung des Gewässers beeinträchtigt das Leben von Pflanzen und Tieren im Fluss.

3) Nach der Statistik der Kohlewirtschaft e.V. (2017) gab es in den Jahren 1950-1990 im deutschen Braunkohlebergbau 150.000-120.000 Beschäftigte. Danach sank diese Zahl nach und nach infolge der Automatisierung und Umstrukturierung auf knapp 20.000 im Jahr 2016, einschließlich Beschäftigten in der allgemeinen Versorgung.

Im Steinkohlebergbau sank die Zahl der Beschäftigten  infolge der Automatisierung und Umstrukturierung noch drastischer, von etwa 550.000  auf 7.500 im Jahr 2016 (Quelle: Statistik der Kohlenwirtschaft, 2017) (http://www.braunkohle.de/).

Diese Zahlen stimmen in etwa mit den Angaben des Umweltbundesamts (UBA) überein. Bei einer Schließung der Braunkohlekraftwerke soll der Verlust von Arbeitsplätzen sozial abgefedert werden. Auch die Renaturierung der ökologisch zerstörten Flächen kann dazu etwas beitragen.

4) In den letzten Jahren hat sich die Menge des erzeugten Stroms trotz Abschaltung zahlreicher Atomkraftwerke von 549,9 Mrd. kWh im Jahr 1990 auf 648 Mrd. kWh im Jahr 2016 gut entwickelt. Die Grundlage dieser Entwicklung sind die erneuerbaren Energien, deren Anteil am Strommix von Jahr zu Jahr gestiegen ist.

2013 wurden 151,3 Mrd. kWh, 2014 161,4 Mrd. kWh, 2015 187,4 Mrd. kWh und 2016 188,3 Mrd. kWh an „sauberem“ Strom erzeugt. 1990 waren es nur 19,7 Mrd. kWh. Dies entspricht  einem Anteil von 23,7% 2013, 25,8% 2014, 29,0% 2015 und 29,5% 2016 des Strommix (Abb.2).

Es ist bemerkenswert, dass die erzeugte Strommenge durch Windkraft (79,8 Mrd. kWh) im Jahr 2016 beinahe der Strommenge aller noch in Betrieb befindlichen Atomkraftwerke (84,9 Mrd. kWh) entspricht. In 2017 (bis Ende Okt.) stieg der Anteil der erneuerbaren Energien weiter auf 38%. Das Ziel bis 2025 (45%) kann wahrscheinlich vorher erreicht werden.

Schematische Darstellung der Zeckenentfernung

Abb.2: 10-Jahres-Entwicklung des Strommix in Deutschland (Quelle: Strom-Report. Daten AGEB e.V.). Danach nahm der Anteil der erneuerbaren Energien von 14 auf 29,5-30% im Zeitraum 2007-2016 zu. Die Anteile der Sonnen-, Wind- und Biomasse-Energie haben sich in diesem Zeitraum mehr als verdoppelt. Nur die Energie aus Wasserkraftwerken ist in etwa gleich geblieben, da die Möglichkeiten für eine Erweiterung erschöpft sind. Der Anteil von Steinkohle hat sich seit 2007 um 5,2% reduziert. Stark zurückgegangen ist der Anteil aus der Kernenergie mit 13,1%. Der Anteil von Braunkohle ist auf einem hohen Niveau (23%) etwa gleich geblieben. Die Menge des Stroms aus Erdgas ist ebenfalls mit rund 12,2% konstant geblieben.

5) Aus der Stromproduktion der Kohlekraftwerke gibt es in den letzten Jahren einen steigenden Stromüberschuss, so dass der Stromexport boomt. 2015 wurden rund 50 Mrd. kWh mehr exportiert als importiert (Abb.3). Da die Stromproduktion vor allem aus Windkraft steigt, nimmt die Überkapazität bei den Kohlekraftwerken zu. Eine Besserung der Großhandelspreise für Strom ist nicht in Sicht.

Schematische Darstellung der Zeckenentfernung

Abb.3: Strom-Export und -Import. Deutschland hat im Jahr 2015 einen Außenhandelsbilanzüberschuss von 2,07 Mrd. Euro beim Stromexport erzielt. Dieser Wert liegt deutlich über dem alten Rekordwert von 1,94 Mrd. Euro aus dem Jahr 2013. Der Export ging 2016 in die Niederlande, die Schweiz, nach Österreich und Polen sowie auch nach Frankreich und Tschechien.

6) Seit 10 Jahren befinden sich die erneuerbaren Energien auf den Vormarsch. Diese Dynamik wirkt sich auf dem Arbeitsmarkt sehr positiv aus. Viele neue Arbeitsplätze sind dabei entstanden. Im Jahr 2004 gab es 160.000 Beschäftigte in der Branche. Nach Angabe des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWI) stieg die Bruttobeschäftigung im Sektor der erneuerbaren Energien bis 2013 um über 200.000 auf 371.000 an (Abb. 4).

Bis 2015 ist diese Zahl auf 330.000 etwas gesunken. Dies ist mehr als eine Verdopplung und deutlich mehr als erwartet. Bis 2030 kann der Sektor auf eine halbe Million Beschäftigte anwachsen. “Die erneuerbaren Energien sind inzwischen ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Dies zeigen die Beschäftigungszahlen”, heißt es im BMWI-Bericht.

In der Wind- und Solarbranche entstehen diese Jobs vor allem in der industriellen Produktion und im lokalen Handwerk sowie bei der Biomasse in der Landwirtschaft. Die konventionelle Stromversorgung bot im Jahr 2015 geschätzt rund 117.000 Personen Beschäftigung. Das ist bedeutend weniger (https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Publikationen/Energie/fuenfter-monitoring-bericht-energie-der-zukunft.pdf?__blob=publicationFile&v=24).

Schematische Darstellung der Zeckenentfernung

Abb. 4: Entwicklung der Arbeitsplätze in der erneuerbaren Branche von 2008 bis 2013 (Quelle BMWi).

7) Keiner verlangt, dass der Kohleausstieg von heute auf morgen vollzogen wird. Nach dem Vorschlag des Sachverständigenrates wird der Kohleausstieg wahrscheinlich bis Ende 2030 dauern, bis alle Kohlekraftwerke stillgelegt sind. Bis dahin müssen ausreichende erneuerbare Energien zur Verfügung stehen.

Die Entwicklung von Stromspeichern müssen umgehend und mit hoher Priorität vorangetrieben werden. Stromspeicher in Kombination mit Nachfragemanagement sollen eine Balance zwischen Stromangebot und Leistungsnachfrage herstellen und eine gleichmäßige Versorgung gewährleisten.

Bei Betreiben von Windkraft- und Photovoltaikanlagen unterliegt die Stromproduktion einer relativ starken Variabilität. Stromspeicher und Nachfragemanagement sollen entgegen wirken. Die hohe Stromschwankung des Stromangebots wird heute durch hohe Zahl von konventionellen Kraftwerken im Netz abgefangen. Eine wichtige Rolle können hierbei auch die bestehenden Gaskraftwerke spielen.

8) Derzeit werden die klimafreundlichen Gaskraftwerke in Deutschland und den Nachbarländern nicht ausgelastet; sie würden in der Lage sein, bei Schließung der Braunkohlekraftwerke deren  Stromerzeugung teilweise zu ersetzen. Gaskraftwerke emittieren nur 1/3 der CO2-Menge eines Kohlekraftwerks bei gleicher Stromleistung und die Luftverschmutzung bei der Verbrennung von Gas (Methan) ist deutlich geringer als bei Kohle, auch wenn Methan ebenfalls ein fossiler Brennstoff und ein Treibhausgas ist.

Es gibt in Deutschland rund 40-50 reine Gaskraftwerke, die jedoch meist klein sind. Darüber hinaus gibt es knapp 30 meist kleine Kohle-Heizöl-Gas- oder Heizöl-Gas-Kraftwerke. Erwähnenswert in diesem Zusammenhang sind die Methan-Leckagen rund um Bohrlöcher in Öl- und Gaslagerstätten. Kontinuierliche Austritte geringerer Gasmengen aus aktiven oder alten, verlassenen Bohrlöchern ist besorgniserregend. Allein in der Nordsee sind mehr als 10.000 Bohrungen bekannt [https://www.geomar.de/de/service/kommunikation/singlepm/article/oel-und-gasbohrungen-als-starke-quelle-von-treibhausgasen/].

9) Einige Länder haben bereits den Kohlenausstieg angekündigt bzw. beschlossen:

  • a) Internationale Allianz für Kohleausstieg: Die Gründung einer globalen Allianz für den Kohleausstieg bei der UN-Klimakonferenz in Bonn. Großbritannien und Kanada verkündeten am Donnerstag (16.11.17) diese Allianz, der 20 Länder, darunter Frankreich und Italien, sowie sechs weitere Partner angehören. Dabei ist nicht Deutschland.
  • b) Niederlande: 2017 vereinbarte die neue Regierung im Koalitionsvertrag den Kohleausstieg bis 2030. Alle fünf Kohlekraftwerke werden vom Netz genommen, d.h. auch die drei neuen Kohlekraftwerke. Das erste Kraftwerk soll im Jahr 2021 schließen. Zusätzlich wurde eine Mindestabgabe für die Kohlenstoffdioxidemission eingeführt. Bis 2030 sollen die Emissionen um 49 % gesenkt werden.
  • c) Neuseeland wird 2018 aus der Kohlenutzung aussteigen. Zurzeit bezieht das Land 4/5 seines Stroms u.a. aus Windkraft, Wasserkraft und Geothermie.
  • d) Kanada kündigt den Ausstieg aus der Kohleverstromung bis zum Jahr 2030 an. Damit will das Land seine Verpflichtungen im Rahmen des Pariser Klimaabkommens schneller erfüllen – sagte Umweltministerin Catherine McKenna.
  • e) 2015 war Großbritannien die erste große Volkswirtschaft, die sich zum Kohleausstieg in der Stromerzeugung verpflichtete. Das Vereinigte Königreich verfügt über hervorragende erneuerbare Energiequellen, insbesondere Windkraftanlagen an Land und im Meer.
  • f) Frankreich: President Macron: erklärte bis 2021 den totalen Kohleausstieg.

1Diese Werte ändert sich je nach verwendeter Technik und Kohlequalität. Bei ganzheitlicher Betrachtung einzelner Stromerzeugungstechniken sind vor- und nachgelagerte Prozessketten z.B. Abbau & Transport mit zu berücksichtigen.