Autor: Dieter Kasang

La Niña (span. für „das kleine Mädchen“) ist die unbekanntere kleine Schwester von El Niño. Beide zusammen bilden das ENSO-Phänomen (nach „El Niño Southern Oscillation“) im Pazifischen Ozean, die wichtigste kurzfristige natürliche Klimaschwankung unseres Klimasystems. Während bei einem El Niño die Meeresoberflächentemperaturen vor der Küste Perus bis in den zentralen Pazifik hinein ungewöhnlich warm sind, ist bei einem La-Niña-Ereignis das Gegenteil der Fall.

Die sich in der neutralen Phase von ENSO vor der Westküste Südamerikas in westliche Richtung erstreckende Zunge kalten Wassers kühlt sich noch weiter ab. Der Grund sind stärkere Passatwinde beiderseits des Äquators, die das warme Oberflächenwasser nach Westen treiben, wodurch vor der südamerikanischen Westküste kaltes Wasser aufsteigt. Das warme Wasser im West-Pazifik begünstigt eine starke Verdunstung, aufsteigende feuchte Luftmassen und kräftige Niederschläge.

In der Höhe divergieren die ausgeregneten Luftmassen und sinken im östlichen Pazifik (und westlichen Indischen Ozean) ab, wo sie für starke Trockenheit sorgen. Dieser als Walker-Zirkulation bezeichnete Mechanismus (Abb. 1) wird angetrieben von einem starken Luftdruckgegensatz zwischen einem Tiefdruckgebiet über Indonesien und einem Hoch im Südost-Pazifik.

Schematische Darstellung der Zeckenentfernung

Abb. 1: Schematische Darstellung der Walker-Zirkulation (Dezember-Februar) während La-Niña-Bedingungen über einer Karte mit wärmeren (Ocker) und kälteren (Blau-Grün) Meeresoberflächentemperaturen als üblich.[1]

Das ENSO-Phänomen besitzt weitreichende Einflüsse auf das globale Klima. Der letzte starke El Niño 2015/16 hat dazu beigetragen, dass das Jahr 2016 das wärmste Jahr seit Beginn der Messungen wurde. In El-Niño-Jahren ist außerdem die Hurrikan-Aktivität im tropischen Atlantik eher schwach, die der Taifune im Pazifik dagegen verstärkt.

La Niña schwächt dagegen die globale Erwärmung ab. So wird die geringe Temperaturzunahme während der 2000er Jahre auch auf die vorherrschenden La-Niña-Phasen (Abb. 2) zurückgeführt, während der der Ozean weniger Wärme an die Atmosphäre abgegeben hat.

Schematische Darstellung der Zeckenentfernung

Abb. 2: ENSO-Index 1959 bis 2020. Werte ab +/-0,5 werden als El Niño bzw. La Niña gezählt.[2]

Seit dem Sommer 2020 entwickelt sich erneut eine La Niña und wird mit hoher Wahrscheinlichkeit auch noch im Winter 2020/21 anhalten. Die Wassertemperaturen im östlichen tropischen Pazifik lagen Anfang November 2020 um bis zu 1,5 °C unter dem Mittel (Abb. 3). La Niña könnte damit auch die globale Mitteltemperatur von 2020 verringern.

Nach bisherigen Einschätzungen ist das Jahr 2020 mit einer Wahrscheinlichkeit von über 50 % auf dem Weg, das bisher wärmste Jahr 2016 noch zu übertreffen. Ob die aktuelle La Niña das noch verhindert, ist ungewiss. Da die globalen Temperaturen mit einer Verzögerung von etwa drei Monaten auf die Temperaturänderung in der ENSO-Region im Pazifik reagieren, wird der Haupteffekt der gegenwärtigen La Nina erst 2021 zu spüren sein.[3]

Bemerkenswert ist in jedem Fall, dass 2020 anders als 2016 ein Jahr ohne einen El-Niño-, ja sogar mit einem, wenn auch bisher nur schwachen, La-Niña-Einfluss ist, so dass die Temperaturzunahme weitgehend der globalen Erwärmung zuzuschreiben ist.

Schematische Darstellung der Zeckenentfernung

Abb. 3: Mittlere Meeresoberflächentemperaturen während der sich entwickelnden La Nina während des Zeitraums 11.10.-7.11.2020[4]

Zeitgleich hat sich über dem tropischen Nordatlantik die stärkste je beobachtete Hurrikan-Saison entwickelt. Der bisherige Rekord von 28 benannten tropischen Stürmen während der gesamten Hurrikan-Saison 2005 wurde 2020 bereits am 10. November mit dem Sturm Theta gebrochen, wodurch 2020 das Hurrikan-reichste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen Mitte des 19. Jahrhunderts wurde.

Eine wichtige Ursache sind die hohen Wassertemperaturen im Atlantik und in der Karibik, die auf die globale Erwärmung zurückzuführen sind. Aber auch die sich zunehmend verstärkenden La-Niña-Bedingungen spielen eine Rolle. Während eines La-Niña-Ereignisses sind die vertikalen Scherwinde, die während eines El Niño die Entstehung von Hurrikanen abschwächen, weniger stark ausgeprägt. Dadurch können sich auch schwache und mittlere tropische Wirbelstürme im Atlantik weitgehend ungehinderter entfalten.

[1] Liberto, Tom di, NOAA Climate.gov (2014): The Walker Circulation: ENSO’s atmospheric buddy, NOAAS Climate.gov
Lizenz: NOAA public domain

[2] NOAA ESRL (2019): Multivariate ENSO Index Version 2 (MEI.v2), https://www.esrl.noaa.gov/psd/enso/mei/ , Lizenz: Public domain

[3] Hausfather, Z., CarbonBrief (2020): State of the climate: 2020 on course to be warmest year on record, https://www.carbonbrief.org/state-of-the-climate-2020-on-course-to-be-warmest-year-on-record

[4] NOAA Climate Prediction Center (2020): ENSO: Recent Evolution, Current Status and Predictions, https://www.cpc.ncep.noaa.gov/products/analysis_monitoring/lanina/enso_evolution-status-fcsts-web.pdf