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Nordbrasilien: Ursache der Rekorddürre in der Amazonas-Region (Stand Ende Januar 2024)

von Dr. José L. Lozán

Es herrschte in der Amazonas-Region zwischen Juni-November 2023 eine der schwersten Dürren ihrer Geschichte. Rio Negro – der zweitgrößte Nebenfluss des Amazonas – zeigte Mitte Oktober, den niedrigsten Stand seit Beginn der offiziellen Messungen vor mehr als 120 Jahren. Amazonien ist das größte Flusssystem der Erde (Abb. 1). Rund 20.000 Pflanzenarten und ca. 2500 Fischarten leben in diesem Lebensraum. Zu der Zerstörung des Regenwalds durch Abholzung kommt jetzt der Lebensraum Fluss dazu.

Trotz des Beginns der Regenzeit in Dezember hält die Dürre wegen der immer noch herrschender Hitze und Trockenheit an. Die positive Nachricht ist, dass die Abholzung im brasilianischen Amazonas-Regenwald seit Amtsantritt des Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva im Vergleich zu den Vorjahren zurückgegangen ist.

Das Einzugsgebiet des Amazonas. Auch Amazonien bezeichnet.

Abb.1: Das Einzugsgebiet des Amazonas. Diese riesige Tiefebene erstreckt sich über Teile von 9 Ländern: 59% in Brasilien, 11% in Peru, 7.9% in Kolumbien, 6.7% in Venezuela, 5.9% in Bolivien, 1,8% in Ecuador, 3.5% in Guayana, 1,3% Französisch-Guayana und 2.4% Suriname. Es wird auch Amazonien bezeichnet und ist mit einer Fläche von ca. 6,7 Mio. Km² (ca. 40% der Fläche Südamerikas, etwas kleiner als Australien 7,7 Mio km²) das größte Flusssystem der Erde. Sie beherbergt ca. 50% der tropischen Regenwälder der Erde. Die Niederschläge betragen ca. 3000 mm/Jahr. 50-75% der Niederschläge werden wieder in die Atmosphäre durch Evapotranspiration zurückgeführt. D.h. etwa 7 Billionen Tonnen Wasser aus dem Boden, den Waldkronen und den Gewässern gehen in die Atmosphäre zurück. Das zeigt die zentrale Rolle des Amazonas für die Regulierung des dortigen Wasserkreislaufs. Die mittlere Temperatur während der Trockenzeit ist 27,9 °C und während der Regenzeit 25,8 °C.

Bild: Autor = Kmusser. Licensed under the Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0.

Seit Juli bis heute gab es kaum Regen. Normal herrscht von Mai bis Oktober Trockenzeit; sie war jedoch in diesem Jahr besonders ausgeprägt. Das aktuelle El-Niño-Ereignis im Pazifik ab Juni verstärkt die Dürre aber auch die hohe Temperaturen, die zu mehr Evapotransporitation führt (Evapotranspiration = Summe aus Transpiration und Evaporation; d.h. Wasserverlust der Pflanzen & Tiere sowie des Bodens und der Gewässer).

Es muss erwähnt werden, dass Südbrasilien zur gleichen Zeit von Rekordregen heimgesucht wurden. Oft kommen diese Wettergegensätze in beiden Regionen vor. Der Wettergegensatz kann auch in umgekehrter Form auftreten. Wenn Rekordregen in Nordbrasilien während der feuchten Monate des Jahres (Dez-April) registriert werden, können in Südbrasilien sowie in NO-Argentinien und S-Paraguay gleichzeitig extreme Dürren beobachtet werden. Dies geschieht oft infolge der Fernwirkung des El Niño im Pazifik

Einige Folgen der aktuellen Dürre in der Amazonas-Region:

  • Süßwasserdelphine: Mehr als 150 Amazonasdelphine starben im Tefé-See aufgrund der Wassertemperatur von über 40°C. Die genaue Todesursache konnte nicht so schnell ermittelt werden. Es sei allerdings davon auszugehen, dass die Ursache im Zusammenhang mit der aktuellen Hitze und Trockenheit zu sehen ist – so das Forschungsinstitut Mamirauá. Auch für den Tod ¬von Fischen, die zu Tausenden in den fast ausgetrockenen Flüssen treiben, sind höchstwahrscheinlich die hohen Temperaturen und der Sauerstoffmangel des Wassers verantwortlich. Insgesamt ist aktuell die Lage der ganzen Biodiversität des Amazonas dramatisch. Viele Tiere verenden. WWF: »Was mit den Delfinen geschieht, ist eine Warnung, dass der Amazonas dringend geschützt und der Kampf gegen den Klimawandel verstärkt werden muss«.
  • Stromversorgung: Die Dürre wirkt sich auch auf die Stromversorgung des Landes aus. Der Strom in Brasilien wird überwiegend von Wasserkraftwerken erzeugt. Der Durchfluss ist jedoch extrem niedrig – weit unter dem langjährigen Durchschnitt. Beim Werk Belo Monte (Abb. 2) – weltweit eines der größten Wasserkraftwerke (siehe Abb. 1), liegt er lediglich bei 10% des Durchschnitts. Der Betrieb des wichtigen Kraftwerks Santo Antônio wurde Anfang ¬Oktober sogar eingestellt. Es liegt am Porto Velho (siehe Abb. 1).
  • Wasserstraßen: Die Nutzung der Flüsse als Wasserstraße ist zurzeit extrem eingeschränkt. Viele Gemeinden, die nur auf dem Wasserweg erreicht werden können, sind in Amazonien praktisch isoliert. Die Regierung beschloß Soforthilfe; zehntausende Lebensmittelpakete wurden in den vergangenen Tagen an die betroffenen Gemeinden gebracht.
  • Notstand: Indigene Völker fordern, für die ganze Region den Klimanotstand auszurufen. In ihren Gemeinden gibt es Mangel an sauberes Trinkwasser. Die Nahrungsvorräte gehen aus und es steht wegen der abgeschnittenen Transportwege keine medizinische Versorgung zur Verfügung. Landwirtschaft ist kaum möglich, da Wasser fehlt. Bereits Ende September hat der Bürgermeister von Manaus den Notstand ausgerufen (Abb. 3).

Ursachen der Dürre 2023

Nach der neuesten Attributionsstudie (London 24.Januar 2024) war der Klimawandel neben des El Niño-Ereignisses die haupttreibende Kraft für die Dürre im Amazonien im Jahr 2023.

Historisch gesehen war eine Dürre im Amazonien außergewöhnlich selten. Eine meteorologische Dürre (aufgrund des standardisierten Niederschlagsindex) tritt als ein Ereignis von 1 in 100 Jahren und eine landwirtschatliche Dürre (aufgrud des standardisierten Niederschlags-Evapotranspirations-Index) als ein Ereignis von 1 in 50-Jahren auf. Das bedeutet, dass eine landwirtschaftliche Trockenheit 2x wahrscheinlicher ist.

Welche Verantwortung trägt El Niño für diesen Trend? El Niño 2023 verringerte die Niederschlagsmenge in der Region in etwa gleichem Maße wie der Klimawandel; der starke Trockenheitstrend war jedoch fast ausschließlich auf den globalen Temperaturanstieg zurückzuführen, so dass die Schwere der Dürre, die wir derzeit erlebt haben, weitgehend auf den Klimawandel zurückzuführen ist.

Das als außergewöhnliche Dürre eingestufte Extremereignis des Jahres 2023 wäre ohne die Auswirkungen des Klimawandels, die durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe und die Abholzung der Wälder verursacht werden, nur eine „schwere Dürre“ gewesen (nach US drought monitoring classification system).

Bei dieser Studie wird ausserdem festgestellt, dass sich die Wahrscheinlichkeit des Auftretens einer meteorologischen Dürre um den Faktor 10 erhöht hat, während die Wahrscheinlichkeit einer landwirtschaftlichen Dürre um das 30-fache gestiegen ist.

 

 Das Wasserkraftwerk Belo Monte am Rio Xingu

Abb.2: Das Wasserkraftwerk Belo Monte am Rio Xingu (s. Abb.1), einem bedeutsamen Seitenfluss des Amazonas. Quelle: Vice-Presidência da República (VPR) (FlickreviewR 2 on 25.9.2021). https://flickr.com/photos/144703136@N04/51443381900. Licensed under cc-by-2.0.

 Das Wasserkraftwerk Belo Monte am Rio Xingu

Abb.3: Rekorddürre in der Amazonas-Region. (Symbolbild)