Kapitel: 2 → Das Meer und Klima

2.2 → Das Marine Sediment als Gedächtnis des Klimas

Christian März, Philipp Böning & Hans-Jürgen Brumsack (Institut für Chemie und Biologie des Meeres (ICBM), Universität Oldenburg)

Zusammenfassung: Das Marine Sediment als Gedächtnis des Klimas

Die Zusammensetzung von Meeressedimenten dokumentiert die während ihrer Ablagerung herrschenden Umwelt- und Klimabedingungen. Daher eignen sich Meeressedimente hervorragend als Langzeit-Archiv der Klimaentwicklung auf der Erde.

Im Artikel werden drei Beispiele für aktuelle Untersuchungen von Meeresablagerungen beschrieben, die unsere Vorstellungen von der zeitlichen Entwicklung des Weltklimas und seiner Extremzustände maßgeblich beeinflusst haben. Dies gilt sowohl im globalen Kontext als auch mit Blick auf Meeresregionen, die besonders sensibel auf Klimaschwankungen reagieren.

In der Erdgeschichte gab es immer wieder Zeitabschnitte, in denen große Teile der Weltmeere über Hunderttausende von Jahren sauerstofffrei (anoxisch) waren. Man bezeichnet diese auch als Ozeanische Anoxische Ereignisse (OAEs). Die damals abgelagerten Sedimente stellen Umweltarchive für Zeiträume dar, in denen sich die Abläufe des weltweiten Klimasystems völlig von den heutigen unterschieden.

Besonders häufig traten diese OAEs während der Kreidezeit auf (vor etwa 135 bis 85 Millionen Jahren), was zur weiträumigen Ablagerung sogenannter „Schwarzschiefer“ führte. Der Arktische Ozean, ein Meeresgebiet von besonders großer klimatischer Relevanz, war bis vor kurzem ein „Weißer Fleck“ auf der geologischen Weltkarte, da die bekannten Klimaarchive dort nur einige Hunderttausend Jahre in die Vergangenheit zurückreichten.

Besonders spektakulär war die im Jahre 2004 erfolgreich durchgeführte Arktis-Bohrung. Dadurch konnte die Umwelt- und Klimageschichte des Arktischen Ozeans über die letzten 60 Millionen Jahre entschlüsselt werden. Spuren extremer und sehr kurzskaliger Klimaschwankungen lassen sich aber auch in Ablagerungen der letzten Eiszeit finden, die nur etwa Hunderttausend Jahre zurückreichen.

Diese Schwankungen (Dangaard-Oeschger- und Heinrich-Ereignisse) müssen sowohl hinsichtlich ihrer weltweiten Wirkung besser verstanden werden, als auch im Hinblick auf die dafür verantwortlichen Umweltprozesse. Nur so kann man die grundlegende Funktionsweise des irdischen Klimasystems verstehen und einen Bezug zum aktuellen Klimawandel herstellen.

The marine sediments as long-term climate archive:

The composition of marine sediments documents the environmental and climatic conditions that prevailed during their deposition. Thus, marine sediments are an excellent long-term archive of Earth´s climate.

In the following we will describe three recent examples of marine sediment investigations that significantly affected our insights into the development of the climate system and its most extreme states, both on a global scale and with emphasize on ocean regions most sensitive to climatic changes.

During recurring phases in Earth´s history, large lower parts of the oceans were oxygen-free (anoxic) over hundreds of thousands of years – these phases are referred to as Oceanic Anoxic Events (OAEs).

They represent environmental archives of times when Earth´s climate system was working profoundly different than today. A specific time interval affected by many OAEs was the Cretaceous period, around 135 to 85 million years before present, when wide-spread deposition of so-called »black shales« occurred. A specific region of high climatic relevance, the Arctic Ocean, was a »white spot« on the geological map of the Earth only a few years ago.

Its climate archives extended only several hundred thousand years into the past. Thus, the reconstruction of its environmental and climatic development over the past 60 Million years from sediment cores that were only recovered in 2004 is all the more exciting. But traces of extreme climate variations are also found in sediments deposited during the last ice age, i.e. the last hundred thousand years.

Understanding the global extent and impact of these so-called Dansgaard-Oeschger and Heinrich events, and unravelling their causal mechanism, is not only crucial to better understand the mode of operation of the climate system, but also its relation to modern climate changes.