Kapitel: 3 → Aktuelle und potenzielle Gefahren für die Gesundheit

3.2 Indirekt durch Krankheitsüberträger (VEKTOREN)

3.2.17 → Potenzieller Einfluss von Klimaveränderungen auf Stechmücken und Gnitzen und die Bedeutung lokaler Umweltfaktoren in Deutschland

Renke Lühken, Sonja Steinke & Ellen Kiel
Institut für Biologie und Umweltwissenschaften, Universität Oldenburg
Arbeitsgruppe Gewässerökologie und Naturschutz

Zusammenfassung: Potenzieller Einfluss von Klimaveränderungen auf Stechmücken und Gnitzen und die Bedeutung lokaler Umweltfaktoren in Deutschland

Stechmücken und Gnitzen standen Jahrzehnte lang nicht im Fokus der deutschen Vektorforschung. Dies änderte sich Anfang des 21. Jahrhunderts, zum einen aufgrund der Einschleppung und Etablierung exotischer, vektorkompetenter Stechmückenarten, zum anderen infolge seuchenhafter Ausbrüche von Infektionskrankheiten, ausgelöst durch zwei von Gnitzen übertragenen Viren: dem Schmallenberg- und dem Blauzungenvirus.

Die meisten Folgestudien konzentrieren sich auf die geographische Verbreitung der Vektoren und deren Rolle als Überträger von Krankheitserregern, allerdings fehlen nach wie vor grundlegende Informationen über die Ökologie der Arten. So existiert z.B. für verschiedene Stechmücken- und Gnitzenarten derzeit nur ein unvollständiges Bild über ihre Brutplatzpräferenz.

Die meisten Vorhersagen über die Veränderung der geographischen Verbreitung von Vektoren beruhen ausschließlich auf Klimaprojektionen. Abgesehen von den großmaßstäblichen klimatischen Bedingungen sind allerdings auch Veränderungen lokaler Umweltparameter, wie z.B. die Austrocknungsfrequenz von Gewässern, zu erwarten.

Die Analyse und das Verständnis der Faktoren, welche die lokale Verbreitung und Phänologie steuern, werden es uns erlauben, zuverlässiger Aussagen über zukünftige Entwicklungen zu treffen. Der Artikel beleuchtet den aktuellen Forschungsstand zum Einfluss des Klimawandels auf Stechmücken und Gnitzen und zeigt Forschungslücken auf, die für zuverlässige Vorhersagen geschlossen werden müssen.

Summary: Potential impact of climate change on mosquitoes and biting midges and the relevance of local environmental factors in Germany

For several decades research on mosquitoes and biting midges has been neglected in Germany. This situation changed at the beginning of the 21st century due to the introduction and establishment of exotic, vector-competent mosquito species and the spread of two Culicoides-borne diseases: the Bluetongue and the Schmallenberg disease.

Most subsequent studies focused on the geographic distribution of the species and their role as vectors of pathogens, but the information about the ecology is still incomplete, e.g., there is a lack of knowledge about the breeding sites of several mosquitoes and biting midges.

At present, most predictions on the change of geographic distribution of vectors are based on climatic projections. However, apart from differences in the large-scaled climate, changes of other important local factors are to be expected, e.g. the drought frequency of water bodies.

Therefore, studying the environmental variables, which regulate the local distribution and phenology is essential for correct predictions. This paper focuses on the current state of research about the impact of climate change on mosquitoes and biting midges and intends to highlight gaps of knowledge remaining to be closed for reliable predictions.