Kapitel: 3 → Aktuelle und potenzielle Gefahren für die Gesundheit

3.2 Indirekt durch Krankheitsüberträger (VEKTOREN)

3.2.19 → Klima, Nagetiere und Nagetier-assoziierte Krankheitserreger

Christian Imholt (Institut für Pflanzenschutz in Gartenbau und Forst, Arbeitsgruppe Wirbeltierforschung, Julius-Kühn-Institut Münster), Sandra Eßbauer (Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr, Abteilung Virologie & Rickettsiologie, München), Jens Jacob (Institut für Pflanzenschutz in Gartenbau und Forst, Arbeitsgruppe Wirbeltierforschung, Julius-Kühn-Institut Münster), Rainer G. Ulrich (Institut für neue und neuartige Tierseuchenerreger, Friedrich-Loeffler-Institut, Insel Riems)

Zusammenfassung: Klima, Nagetiere und Nagetier-assoziierte Krankheitserreger 

Es gibt eine Vielzahl von Nagetier-assoziierten Pathogenen, von denen einige zoonotisches Potential besitzen und schwere Erkrankungen beim Menschen auslösen können. In diesem Kapitel werden mögliche Einflüsse von Klimaänderungen auf diese Gruppe von Erregern diskutiert.

Zu den wichtigen klimatischen Bedingungen gehören z.B. Extremwetterereignisse wie Überschwemmungen oder Dürreperioden, weil sie direkt oder indirekt die geographische Verbreitung und die Populationsdynamik der Kleinsäugerwirte beeinflussen.

Diese Tiere werden beispielsweise durch geschlossene Schneedecke oder gut entwickelte Vegetation vor Fressfeinden geschützt. Auch ein erhöhtes Nahrungsmittelangebot, z.B. initiiert durch Überschwemmungen (Bewässerungseffekt) oder während Mastjahren, hat einen Einfluss auf die Verbreitung und die Populationsdynamik von Kleinsäugern.

Als Folge kann eine erhöhte Reproduktion zu mehr Nachkommen pro Wurf oder zu einer früheren Geschlechtsreife führen, z.B. in den ersten Würfen einer Saison. Daher kann sich die Größe von Nagetierpopulationen innerhalb weniger Monate um ein Vielfaches erhöhen und sich damit das Risiko vergrößern, dass Nagetier-assoziierte Pathogene auf den Menschen übertragen werden.

In manchen Regionen können Überflutungen zu einem erhöhten Infektionsrisiko beim Menschen führen, da Oberflächenwasser durch Nagetierausscheidungen kontaminiert worden ist. Außerdem dringen Nagetiere vermehrt in menschliche Behausungen ein, um vor der Überflutung Schutz zu suchen. Bei letzterem kann dann der enge Kontakt von Tier und Mensch zu Infektionen führen.

Des Weiteren können durch bestimmte klimatische Bedingungen eher Aerosole entstehen, die zu einem erhöhten Risiko der aerogenen Übertragung von Pathogenen führen . Generell ist der bisherige Kenntnisstand über den Einfluss des Klimas für viele Nagetier-assoziierte Erreger jedoch unzureichend.

Daher haben wir im Jahr 2005 das Netzwerk „Nagetier-assoziierte Pathogene“ (NaÜPa-Net) etabliert, um Daten zur Populationsdichte von Nagetieren, der Prävalenz der assoziierten Pathogene und klimatische Bedingungen in Deutschland zu sammeln.

Gegenwärtig werden zuverlässige Vorhersagemodelle für diese Gruppe von Erkrankungen entwickelt, um Risikogruppen und Behörden rechtzeitig über mögliche Gefährdungen aufklären zu können. Mit einem Frühwarnsystem könnten gezielt Krankheitsausbrüche vorhergesagt werden, womit eine deutliche Verbesserung des Schutzes der öffentlichen Gesundheit erreichbar wäre.

Summary: Climate, rodents and rodent-borne diseases

Rodent-borne pathogens are diverse. Some of them have zoonotic potential and induce severe diseases in humans. In this chapter examples of possible influences of climatic changes on these pathogens are discussed. Climatic conditions including extreme weather events such as flooding or drought may influence directly or indirectly the geographical range and population dynamics of small mammals.

This might be mediated by protection from predation through snow cover or vegetation or by an increased food supply, e.g. after irrigation by flooding or in mast years. As a consequence enhanced reproduction can result in more offspring through extra litters and early reproduction, i.e. among the first born young of the season.

Therefore, rodent host population size can multiply in a few months further increasing human infection risk. In some regions flooding could result in an increased infection risk for humans due to rodent excreta contaminated water or through the invasion of houses by rodents.

The close contact of rodents to humans there can facilitate pathogen transmission. Further, a stronger tendency of aerosol formation and therefore a higher aerogen transmission risk of pathogens might occur. However, for many rodent-borne pathogens our knowledge about the influence of climate is quite low.

Therefore, a network “Rodent-borne pathogens” was established in 2005 to monitor the population density of rodents, pathogen prevalence as well as climatic conditions in Germany.

Robust disease forecast models are presently developed for alerting high risk groups and authorities. This may have considerable benefits for public health protection as early warning can help to build preparedness for disease outbreaks on multiple scales.