Kapitel: 5 → Was soll getan werden?
5.8 → Prävention von Infektionskrankheiten in Deutschland
Thomas Löscher, Abteilung für Infektions- und Tropenmedizin, Ludwig-Maximilians-Universität München
Stand 2008 – vollständiger Text nur im Buch WARNSIGNAL KLIMA: Gesundheitsrisiken (2008) – Kap. 5.7 verfügbar. Das Buch ist unentgeltlich unter lozan@uni-hamburg.de erhältlich. Nur die Versandkosten müssen übernommen werden.
Zusammenfassung: Prävention von Infektionskrankheiten in Deutschland
Infektionskrankheiten waren historisch stets die führenden Krankheits- und Todesursachen. Nach einem drastischen Rückgang im 20. Jahrhundert hat ihre Bedeutung in Deutschland in den letzten Jahren aus verschiedenen Gründen wieder zugenommen.
Die Globalisierung mit ihrem enormen Anstieg von internationalen Reisen, Migration und Transporten ermöglicht heute eine rasche Ausbreitung von neu oder wieder auftretenden Infektionsproblemen wie pandemische Influenza oder hochresistente Erreger.
Der Import von Krankheiten und Vektoren, die in Deutschland nicht endemisch sind, stellt eine neue Herausforderung dar, der in Anbetracht des Klimawandels in Zukunft besondere Bedeutung zukommen könnte.
Ein anderer wichtiger Faktor ist der medizinische Fortschritt mit einer Zunahme von alten, chronisch kranken oder abwehrgeschwächten Menschen, die vermehrt anfällig für Infektionen sind, welche besonders schwer verlaufen und gehäuft durch opportunistische oder resistente Erreger verursacht werden.
Die Prävention von Infektionskrankheiten in Deutschland basiert auf etablierten Infrastrukturen der öffentlichen und privaten Einrichtungen in vielen Bereichen der allgemeinen Hygiene, die von Nahrungsmittel-, Wasser- und Entsorgungshygiene bis zum Gesundheitssektor reichen. Die schließt entsprechende Überwachungs- und Kontrollmechanismen ein, die auf nationaler und europäischer Gesetzgebung beruhen.
Aktuelle Ausbrüche nosokomialer Infektionen durch hochresistente Krankenhauskeime (z.B. MRSA, ESBL, KPC) oder die EHEC-Epidemie 2011 zeigen jedoch Lücken in der Krankenhaus- und Nahrungsmittelhygiene auf, die es zu schließen gilt. Die Impfraten sind in Deutschland bei den meisten verfügbaren Impfungen hoch. Es gibt aber signifikante Impflücken, insbesondere bei Kindern von Impfgegnern.
Die ist eine Hauptursache für die noch immer auftretenden Masernausbrüche und dafür, dass es bisher nicht gelungen ist Infektionskrankheiten wie Masern, Keuchhusten, Mumps oder Röteln in Deutschland zu eliminieren.
Neben geeigneter Gesundheitsaufklärung und Impfkampagnen wird derzeit diskutiert, inwieweit bestimmte Impfungen generell oder bei Aufnahme in Gemeinschaftseinrichtungen für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsenen (z.B. Kindergärten, Schulen, Hochschulen, Militär) verpflichtend sein sollten.
Wichtige Voraussetzung für Prävention und Bekämpfung sind effektive Surveillance und rasche Information. In den letzten Jahren wurden auf nationaler und europäischer Ebene verbesserte Systeme für die frühzeitige Erfassung und die Bekämpfung bekannter und möglicher zukünftiger Infektionskrankheiten mit epidemiologischer Relevanz eingerichtet.
Dies ermöglicht eine rasche Reaktion auf neue infektiöse Bedrohungen einschließlich solcher, die als Folge des Klimawandels auftreten können. Um optimal vorbereitet zu sein, ist eine kontinuierliche Anpassung an sich verändernde epidemiologische Rahmenbedingungen erforderlich.
Summary: Prevention of infectious diseases in Germany:
Historically, infectious diseases have been the leading causes of morbidity and mortality. After a tremendous decline in Germany during the 20th century they have regained importance for various reasons. Globalization with it enormous increase of international travel and transport enables the rapid spread of newly emerging and re-emerging infectious disease problems such as pandemic influenza or highly resistant pathogens.
The import of diseases and vectors not endemic in Germany poses new challenges that may become even more relevant due to climate change. Another major factor is the medical progress leading to a considerable increase of the number of elderly, chronically ill or immunosuppressed people prone to infections which are often severe, opportunistic or caused by pathogens resistant to standard antimicrobial drugs.
Prevention of infectious diseases in Germany is based on established infrastructures in the public and private sector covering many fields of general hygiene from food, water and waste management to the health sector. This includes appropriate monitoring and control systems based on national and European legislation and on strong public health structures.
However, recent outbreaks of nosocomial infections caused by highly resistant bacteria (eg, MRSA, ESBL, KPC) or the 2011 EHEC epidemic have shown significant gaps in hospital and food hygiene to be closed. Vaccination rates are high for most available vaccines in Germany. However, there are significant pockets of unvaccinated children due to anti-vaccine positions in some groups.
This a main cause of still occurring measles outbreaks and of the failure to eliminate infections such as measles, pertussis, mumps, or rubella in Germany so far. Besides appropriate health education and promotion of vaccination, compulsory vaccination is discussed on a general basis or at least as a requirement for admission to community facilities for children and young adults such as nurseries, schools, colleagues, and the military.
The basis of control and prevention is effective surveillance. In recent years, new and updated surveillance and response systems have been established in Germany and Europe for improved monitoring and management of current and future infectious diseases of epidemiological relevance.
These systems are capable of early detection and response to potential new infectious disease threats including those as a possible consequence of climate change. However, continuous surveillance and adaptation to changing epidemiological situations are required to maintain adequate preparedness.