Kapitel: 7 → Ökonomische Aspekte, Gefahren und Maßnahmen

7.4 → Die Bedeutung der Kryosphäre im Tien Shan als »Wasserturm« für Zentralasien

Katy Unger-Shayesteh, Doris Düthmann, Abror Gafurov, Lars Gerlitz & Sergiy Vorogushyn (Helmholtz-Zentrum Potsdam – Deutsches GeoForschungsZentrum, GFZ)

Kurzfassung:

Bezogen auf die Bevölkerungszahl gehören die fünf zentralasiatischen Staaten zu den 15 größten Wasserverbrauchern der Welt. Hauptnutzer der Wasserressourcen ist dabei die Landwirtschaft. Schnee- und Gletscherschmelze im Tien Shan tragen bedeutend zum Abfluss in den Frühjahrs- und Sommermonaten bei und stellen damit Wasser zu einem für die Landwirtschaft günstigen Zeitpunkt bereit.

In warmen und trockenen Jahren können sie Niederschlagsminima kompensieren und für einen stabilen Basisabfluss sorgen. Mit dem kontinuierlichen Rückgang der Vergletscherung kann der Anteil der Gletscherschmelze am Gesamtabfluss zunächst zu-, später aber auch abnehmen – je nachdem in welchem Zustand sich der Gletscher befindet und ob bereits der Wendepunkt erreicht ist, an dem die zunehmende Gletscherschmelze den Rückgang der vergletscherten Fläche in Bezug auf die Abflussspende nicht mehr kompensieren kann.

Für die Zukunft wird erwartet, dass infolge des reduzierten Gletscherspeichers der Sommerabfluss abnimmt und die interannuelle Variabilität zwischen den Jahren zunimmt. Dies kann sich nachteilig auf die Landwirtschaft und den Wasserkraftsektor auswirken und auch die Hochwassergefahr erhöhen.

Für Zentralasien bleibt als wirksamste Anpassungsmaßnahme, die Wassernutzungseffizienz zu erhöhen und die Landnutzung an die langfristig verfügbaren Wasserressourcen anzupassen.

The importance of the cryosphere in the Tien Shan as a »water tower« for Central Asia:

In relation to the population, the five Central Asian states are among the 15 largest water consumers in the world. Main user of the water resources is the agricultural sector. In the Tien Shan, snow and glacier melt contribute substantially to river runoff in the spring and summer months and thus supply water at a time convenient for agriculture. In warm and dry years, they may compensate precipitation minima and provide a stable base flow.

The continuous retreat of glacierization may result in an increased but later decreasing contribution of glacier melt to total river runoff. This depends upon the state of the glacier, in particular if it has reached the tipping point, beyond which the increasing glacier melt cannot compensate the shrinking of the glacierized area in terms of the runoff rate anymore.

In the future, summer runoff is expected to decrease due to the reduced glacier storage, and the interannual variability is expected to increase. This may have a negative impact on agriculture and the hydropower sector, and may also increase flood risk. For Central Asia, the most effective adaptation measure would be to increase water use efficiency and to adapt land use to the renewable water resources available in the long-term.