Kapitel: 3 → Flora, Fauna und Ökosysteme

3.1 → Flora und Vegetation des terrestrischen Bereichs

Fred J.A. Daniëls (Westfälische Wilhelms-Universität Münster)
Dietbert Thannheiser (Universität Hamburg)
und Christoph Wüthrich (Universität Basel)

Zusammenfassung: Vegetation der terrestrischen Polarregionen und ihre Anpassungen

Die junge postglaziale Flora und Vegetation hat sich in der Arktis an die harten und wechselnden Umweltbedingungen angepasst. Das Wachstum der Pflanzen im Sommer ist kurz. Der instabile Boden ist arm an Nährstoffen und wird durch Permafrost beeinträchtigt.

Die Anpassung der Pflanzen an diese Lebensbedingungen schließt geringe oberirdische Biomassenproduktion, niedrigen Wuchs, hohe Lebensdauer, Polyploidie, vegetative Vermehrung und ungeschlechtliche Vermehrung mit ein. Die Vegetationsbedeckung ist in der niederarktischen Tundra dicht, dagegen in der Hocharktis lückenhaft.

Der Artenreichtum nimmt von Süden nach Norden ab und ist mit 2.200 Arten mäßig, wobei nur ca. 100 endemische Gefäßpflanzen vorkommen, und bei den niederen Pflanzen sind 900 Moos- und 1750 Flechten-Arten vertreten. Die unterschiedliche Vergletscherungsgeschichte zwischen Beringia (Ost-Sibirien und Alaska) und dem nordatlantisch-westsibirischen Raum verursachen eine differenzierte Flora.

In den letzten drei Jahrzehnten hat sich durch die globale Klimaänderung auch die Arktis verändert. Die Zahl der nicht einheimischen Arten nimmt durch den Tourismus, den Verkehr, Siedlungsentwicklung, Bergbau, Industrieaktivitäten und Schafhaltung zu.

Außerdem dringen boreale Arten in die Arktis ein und Biomasse sowie Dichte und Höhe der Sträucher nehmen zu. Aufgrund der Erwärmung werden die Schneetälchen, Moore, die Vegetation in flachen Tümpeln geringer. In der nächsten Zukunft wird wärmeres Klima die Dauerfrost-Bodenzustände beeinflussen, und es werden sich neue Landschaftstypen mit mehr durchsetzungsfähigeren Arten entwickeln.

Changes in terrestrial plant cover of the Arctic:

The young post-glacial flora and vegetation of the Arctic are adapted to harsh and variable environmental conditions. The plant growth season is short; soils are young, poor in nutrients, instable, with active layers and permafrost. Plant adaptions to these living conditions include low above-ground biomass production, low stature, being long-lived, vegetative reproduction and apomixis and high polyploidy levels.

Plant cover is dense in low-Arctic tundra’s and more open in barrens of the high-Arctic. Species richness is very moderate with c. 2,200 including c. 100 endemics in vascular plants, 900 bryophytes and 1750 lichens, and it decreases strongly from south to north.

Floristic differences are obvious between Beringia (East Siberia and Alaska) and North Atlantic-West Siberia due to different glaciation histories. Nevertheless, most species have a circumpolar Arctic-alpine distribution. Since the last three decades global change related changes are affecting the Arctic.

The number of non-native species increases by tourism, traffic, town expansion, mining and industrial activities and sheep farming husbandry. Furthermore boreal species increase in the Arctic and above ground vegetation biomass and shrub expansion (greening) is observed across the Arctic. Snow bed, mire and shallow pond vegetation suffer by substrate drying related to warming.

In future a warmer climate will strongly affect permafrost conditions resulting into new landscapes accessible for competitive southern species.