Kapitel: 5.1 → Klimawandel und Vegetationsdynamik im Hochgebirge

Harald Pauli

Kurzfassung:

Die typischerweise niedrigwüchsige Hochgebirgsvegetation oberhalb der Baumgrenze ist von den Tropen bis in die Polarregionen verbreitet, aber häufig nur kleinflächig und voneinander isoliert auftretend. Ihre großräumige Verbreitung und geringe Überprägung durch die anthropogene Landnutzung prädestiniert sie für die weltweite Messung der ökologischen Klimawandeleffekte auf die naturnahe Biosphäre. Modellstudien prognostizieren eine drastische Reduktion alpiner Habitate und ihrer an ein kaltes Klimaregime angepassten Ökosysteme. Langzeitbeobachtungen im Freiland bestätigen im Wesentlichen die Prognosen. Ihre Befunde zeigen allerdings unterschiedliche Aspekte einer klimainduzierten Vegetationsdynamik, in Abhängigkeit vom Umfang des Aufnahmeprotokolls (z.B. Artenlisten oder auch Häufigkeitsangaben) und ihrer räumlichen Verteilung. Bei der Artenvielfalt in Gipfelzonen überwiegt die Zunahme infolge des weit verbreiteten Höhersteigens vieler Arten. Vegetationsdaten verteilt über den gesamten Höhengradienten zeigen wiederum, dass sich die unteren Grenzen der Arten mindestens ebenso schnell nach oben verschieben wie die oberen, wodurch wir wegen des meist konischen Aufbaus der Gebirge von einer beschleunigten Arealreduktion ausgehen müssen. In den detaillierteren Dauerbeobachtungsflächen des internationalen GLORIA-Netzwerks (www.gloria.ac.at) konnte eine fortschreitende Umstrukturierung der Vegetationszusammensetzung in Richtung wärmeliebender sowie an trockenere Böden angepasster Arten festgestellt werden. Dieser Prozess der ‚Thermophilisierung‘ läuft sehr wahrscheinlich deutlich rascher ab als die Verschiebung der Artgrenzen und führte lokal zu einem starken Flächenverlust der besonders an Kälte angepassten Arten. Experimentelle Studien mit veränderten Klimabedingungen bekräftigen die Monitoring-Ergebnisse hinsichtlich des Klimaeinflusses auf das Pflanzenwachstum, insbesondere wenn Erwärmung und abnehmende Wasserverfügbarkeit zusammenwirken.

Climate change and the transformation of highmountain vegetation:

The usually low-growing vegetation of high mountains above the treeline occurs from the tropics to the polar regions, but commonly in rather small areas isolated from each other. The large-scale distribution and the low level of human land use predestine this alpine vegetation for measuring the ecological effects of climate change on the remaining near-natural biosphere. Model projections suggest a drastic reduction of the area of alpine habitats and their cold-adapted ecosystems. In-situ long-term observations, in principle, have confirmed these projections. Their findings, however, showed different aspects of climate-induced vegetation dynamics, in dependence of the extent of their field protocols (e.g., species inventories or also species abundances) and their spatial distribution. Species richness in summit areas predominantly showed increases, due to the widespread upward-shift of many species. Vegetation data over the entire elevation gradient, in turn, indicated that the lower range margins of species are shifting upwards at least as rapidly as the upper ones. Hence, we have to expect an accelerated shrinkage of distribution areas owing to the often cone-shaped mountain terrain. In the more detailed permanent plots of the international GLORIA network (www.gloria.ac.at), an ongoing transformation of the vegetation towards warmth-demanding species and to species better adapted to drier soil conditions was detected. This process of ‘thermophilisation’ most likely takes place way more rapidly than actual shifts of species ranges, and was locally accompanied by strong declines in the abundance of the most cold-adapted species. Experimental studies dealing with altered climate conditions have corroborated the monitoring results with respect to the influence of a thermal regime on plant performance, particularly when warming occurs in combination with reduced water availability